Ein Abend voller Schein und Wirklichkeit
Mit einer Vernissage eröffnete das Tempowerk den Ausstellungszyklus „Kunst verbindet … Schein und Wirklichkeit“. Die ausgestellten Werke fordern auf unterschiedliche Weise die Wahrnehmungsfähigkeit der Betrachter heraus.
Als Tempowerk-Chef Christoph Birkel die Vernissage zur neuen Ausstellung „Kunst verbindet...Schein und Wirklichkeit“ eröffnete, fand er deutliche Worte. „Im Hinblick auf aktuelle Krisen und politische Entwicklungen, die sich aktuell in vielen Ländern Europas vollziehen, scheinen für selbstverständlich gehaltene Ordnungen und Sicherheiten auf einmal nicht mehr so selbstverständlich wie noch vor einigen Jahren. Das Thema ‚Schein und Wirklichkeit‘ ist also aktueller denn je“, sagte Birkel. Kunst helfe in schwierigen Phasen, Dinge neu zu denken und notwendige Perspektivwechsel vorzunehmen. Dass es nach zwei Jahren coronabedingter Pause nun endlich wieder eine Ausstellung im Tempowerk gebe, sei daher besonders wertvoll und vielleicht auch notwendig.
Expertin für Schein und Wirklichkeit
Nach der Eröffnungsrede führte die Hamburger Kiez-Legende Lilo Wanders durch den Abend. In humorvoller Art schilderte sie, wie sie in ihrem Leben – ob auf der Reeperbahn oder vor der Fernsehkamera – bereits zwischen Schein und Wirklichkeit manövrierte und warf die Frage auf, ob die beiden Dinge überhaupt Gegensätze darstellen würden. Anschließend stellte sie mit den verschiedenen Künstlern deren Arbeiten vor.
Von Vergänglichkeit, Konsum und Geschlechteridentität
Der Bildhauer und Bronzeplastiker Fabian Vogler widmet sich mit seinen fein gearbeiteten Werken dem Thema Intersexualität und spielt dabei mit dem Kontrast zwischen dem Archaischem und dem Jetzt-zeitigen. Rustikaler in der Arbeit, aber ebenso tiefsinnig in ihrer Bedeutung, sind die Holzskulpturen von Bildhauer Jared Bartz, der seine monumentalen Holzporträts mit der Kettensäge gearbeitet hat.
Freilichtmaler Mathias Meinel ist der einzige Künstler in der Ausstellung, der sich mit Kunstwerken auf Leinwand präsentiert. Seine verschwommenen Landschaften, die sowohl einen Tag am Waldrand oder ein Blick auf eine fast surreal wirkende Kaimauer ermöglichen, lassen viel Spielraum für Interpretation und regen in einer immer schneller werdenden Welt zum Nachdenken an.
Multimedia-Artist Florian Huber präsentiert mit seiner aus Stahl gearbeiteten Piñata in Form eines Freudentränen-Emojis einen echten Hingucker. Gefüllt ist sie nicht traditionell mit Süßigkeiten, sondern mit negativen Coronatests. Die verwobenen Acrylglas-Skulpturen der dänischen Künstlerin Vivi Linnemann sind ebenfalls ein Blickfang im Tempowerk 6, wo die Ausstellungen auf drei Ebenen gezeigt werden. Nach der Meinung der Künstlerin symbolisieren sie einen Anfang, vielleicht einen Embryo.
Ein gelungener Abend
Über Bedeutung und Interpretation konnte am Abend der Vernissage jeder Besucher bei Drinks und Snacks selbst entscheiden. Kuratorin Dorothea Ladek zeigte sich von Atmosphäre und Resonanz begeistert: „Man merkt: In der Coronazeit hat hier wirklich etwas gefehlt. Die Kunst bereichert das Gebäude enorm.“
Die Werke der fünf Künstler sind ab Januar 2023 jeweils auch noch einmal in zweimonatigen Einzelausstellungen im Tempowerk zu bewundern. Angekündigt werden die Einzelausstellungen über die Website und den Tempowerk-Instagramchannel.