hit-Geschäftsführer Christoph Birkel und Birgit Deting, Geschäftsführerin der Hamburg Invest Entwicklungsgesellschaft

„Mobilität ist die Achillesferse der Zukunft“

Wann kommt die Testzone für alternative Mobilitätssysteme? Die Geschäftsführer des hit und der Hamburg Invest Entwicklungsgesellschaft über das Konzept der Harburger Wirtschaft.

hitNews: Herr Birkel, früher reichte es der Immobilienbranche, Büroflächen oder Hallen anzubieten – und heute?
Christoph Birkel: Wenn Sie ein Gebäude haben, müssen die Leute irgendwie hinkommen. Es ging also immer um „Lage, Lage, Lage“. Aber heute entwickeln wir Immobilien ja nicht nur in den A-Lagen, die Erreichbarkeit ist also umso wichtiger. Mobilität verändert sich. Bislang kamen die Leute mit dem Auto, das war’s. Die nächste Generation hat eventuell gar kein Auto mehr. In den Randlagen, und da zähle ich jetzt auch mal Harburg dazu, ist das ein ganz anderes Thema. Bei uns im hit-Technopark kommt der Großteil der Menschen, die dort arbeiten, aus den Landkreisen – und das heißt: mit dem Auto. Sie haben gar keine Alternative.

hitNews: Ist Mobilität ein Schlüsselpunkt?
Birkel: Ja, bezahlbaren Wohnraum finden wir eher in den Randbereichen. Wenn ich in der Metropolregion lebe, muss ich schnell und günstig jederzeit und ohne eigenes Auto überall hinkommen können. Das ist existenziell für die Immobilienwirtschaft.

hitNews: Frau Detig, Sie haben die Idee der Wirtschaft aufgegriffen, in Harburg eine Testzone für Mobilität einzurichten. Wie weit ist das Projekt gerade auch in Hinblick auf den ITS-Weltkongress 2021 in Hamburg gediehen?
Birgit Detig: Die Ideen sind da, es gibt ein Konzept für den Bereich zwischen dem Daimler-Werk und der Ecke Schlachthofstraße/Großmoorbogen. Aber das sind alles Zukunftsvisionen. Es ist nun an uns allen, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um das auch umzusetzen. Da sind die Bürger aufgerufen, die Politiker und die Wirtschaftsvertreter.

hitNews: Wir sprechen hier aber nicht über einen neuen Fahrradweg, sondern auch über Zukunftsmobilität...?
Detig: Im Bereich der Fahrradwege hat Hamburg schon sehr viel getan, das muss man auch mal sagen. Aber es reicht eben nicht aus, wenn wir an Zukunftsmobilität denken.

hitNews: Wir wollen der Welt 2021 ja auch ein bisschen zeigen, was in Hamburg möglich ist. Aber scheitern viele Ideen nicht schon an rechtlichen Bedenken oder fehlenden Regelungen? Wagen wir zu wenig?
Detig: Nein, ich denke, die Offenheit für diese Thematik ist vorhanden. Aber: Nicht zugelassene Fahrzeuge dürfen im öffentlichen Straßenverkehr nicht fahren. Die Verkehrsregeln dienen dem Schutz aller Verkehrsteilnehmer. Neue Mobilitätsanwendungen wie zum Beispiel autonomes Fahren müssen hinreichend sicher sein, bevor sie zugelassen werden können.
Birkel: In der Umsetzung visionärer Projekte verlieren wir uns häufig im Klein- Klein. Der ITS-Kongress als Impulsgeber ist gut und ein Innenstadtthema, deshalb wollen wir gerade auch mit dem Hintergrund der Technischen Universität Hamburg als Ideenschmiede so eine Testzone für zehn oder 20 Jahre einrichten.

hitNews: Wenn wir über die Testzone in Harburg sprechen: Wo hakt es konkret? Was könnten die nächsten Schritte sein?
Detig: Die Ideenfindung ist abgeschlossen, wir stehen an der Schwelle zur Umsetzung. Das macht es noch einmal schwieriger, denn jetzt geht es ums Geld. Und auch um Personal.
Birkel: Die Harburger Wirtschaft hat das Mobilitätskonzept entwickelt. Damit reisen wir jetzt herum und werben für die Ideen. Darunter sind Punkte, die einfach zu lösen sind. Aber am Ende brauchen wir auch E-Scooter, Fahrräder, Autos, Busse, S-Bahn und Drohnen – alles, was dazugehört. Wo testen wir die Technologien, die kommen? Und wo testen wir beispielsweise auch die Genehmigungswege, damit das nicht alles 100 Jahre dauert? Mobilität ist ja auch ein riesiger Wirtschaftsfaktor. Da gibt es Start-ups, da entstehen neue Jobs der Zukunft. Das begeistert Leute. Jeder kriegt das mit. Aber wir sind einfach zu langsam. Ich bin ja auch in der Süderelbe AG aktiv und erzähle den Landräten: Liebe Leute in Stade und Lüneburg, die nächste Generation wird nicht mehr zu euch kommen, um dort zu leben, weil sie nicht mehr zu ihren Arbeitsplätzen in Hamburg kommt und ein Handy wichtiger findet als ein Auto.

hitNews: Wann werden wir die Testzone in Harburg konkret einrichten können?
Birkel: Ich wage da keine Prognose, da alles sehr lange dauert, bin aber optimistisch, dass wir das Ziel erreichen können. Mobilität ist die Achillesferse der Zukunft und existenziell wichtig. Einfach gesagt, aber schwierig gemacht: Wir müssen flexibler werden.
Detig: Wir haben die Testzone als Innovationsquartier definiert, denn wir wollen Wissenschaft und Wirtschaft vernetzen. Das ist gewollt, und das macht mich optimistisch, dass wir das Ziel erreichen. Geben Sie uns noch ein bisschen Zeit.

 

Das Interview führte Wolfgang Becker von unserem Mediapartner Business & People

 

 

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